Der Busführer - Adolf Schweiger bricht aus by Veronika Bauer
Autor:Veronika Bauer [Bauer, Veronika]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783423440301
Herausgeber: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
42
»Sie haben die Miete erhöht.«
Mutters Stimme drang aus dem Flur, wo sie seit mittlerweile einer guten Dreiviertelstunde damit beschäftigt war, die Kommode, auf der früher das Festnetztelefon gestanden hatte, mit Möbelpolitur einzulassen. Adolf hatte sein Abendessen längst beendet. Nun spülte er das Geschirr, während er darauf wartete, dass sie sich wie gewohnt ins Wohnzimmer zurückziehen würde. Er war so überrascht, sie reden zu hören, dass er sich anfangs nicht sicher war, ob sie tatsächlich mit ihm sprach.
»Alles wird teurer«, murmelte er schlieÃlich und trocknete sich die Hände am Geschirrtuch ab.
»Meine Rente bleibt gleich, und dir werden sie auch nicht mehr zahlen.«
Ihre Schritte kamen langsam näher.
»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete er ausweichend und hoffte inständig, dass sie nichts von seiner Krankschreibung erfahren hatte. Aus dem Augenwinkel sah er, dass sie jetzt begann, den Türrahmen zu polieren.
»Wie viel teurer ist es geworden?«, fragte er, nur um irgendetwas zu sagen.
»Knapp vierzig Euro«, kam ihre Antwort. »Das klingt zwar nach nicht viel. Aber es summiert sich, wenn dann die Preise für Strom, Gas und Wasser auch noch steigen.«
Der beiÃende Geruch der Möbelpolitur erfüllte die Küche.
»Mhm«, brummte er und wollte sich ein Bier aus dem Kühlschrank nehmen. Doch da war keines.
Verärgert ging er in die Speisekammer, nahm die letzte Flasche aus der Bierkiste und legte sie ins Gefrierfach. Mutter wischte zwar immer noch am Türrahmen herum, doch er konnte spüren, dass sie jede seiner Bewegungen beobachtete. Wenigstens tut sie nicht mehr so, als wäre ich Luft, dachte er und schaute aus dem Fenster in den Hof, wo Samira und Achmed â sehr zum Leidwesen des Ehepaars Schneeweià â mit bunter Kreide Rechtecke auf den Asphalt gemalt hatten. Nun hopsten sie von einem Kästchen zum nächsten und klatschten dabei in die Hände.
»Ich mein ja nur â¦Â«, begann Mutter und brach ab, ohne den Satz zu beenden.
Jetzt war Achmed hingefallen. Samira lachte zwar, doch dann streckte sie die Hand aus und half ihrem weinenden Bruder auf die Beine. Für einen Sekundenbruchteil musste Adolf an Hanni denken, wie er sie wieder und wieder aus den Brennnesseln gezogen hatte. Dann riss er sich zusammen und versuchte, sich ganz auf seine Mutter zu konzentrieren.
»Was meinst du denn?« Er durfte jetzt nicht die Geduld verlieren. Immerhin sprach Mutter wieder mit ihm.
»Ich frag mich einfach, ob ich in Zukunft alles alleine zahlen muss.«
Er drehte sich mit einem Ruck zu ihr um. »Warum denn?«
Sie rieb das Holz auf Brusthöhe so energisch mit dem ölgetränkten Lappen, als versuchte sie, einen hartnäckigen Fleck zu entfernen.
»Wenn du zu dieser Hanni ziehst, dann muss ich wohl die Kosten für das alles hier alleine tragen.« Jetzt schrubbte Mutter wie besessen. »Sie hat ja ein schönes Haus drauÃen vor der Stadt.«
Adolf schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich zieh doch nicht zu Hanni!«, rief er entrüstet. »Wie kommst du denn darauf?«
»Ich könnte es dir ja nicht einmal übelnehmen. Ich täte da auch einziehen, wenn mich jemand fragen würde. Aber ich hab so eine Möglichkeit ja nie gehaâ¦Â«
»So ein Blödsinn«, unterbrach Adolf sie und nahm die Bierflasche aus dem Tiefkühlfach. Sie war zwar noch nicht kalt, doch er wollte nicht länger warten.
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